Der Kaffee Report Teil 2 - Wie nachhaltig ist eine Tasse Kaffee?

Nachhaltigkeit und Kaffee Konsum

Mit einem Anteil von 32, 9 Prozent beim weltweiten Kaffeekonsum liegt Europa an der Spitze vor allen anderen Erdteilen.  Bei 162 Liter jährlichem pro-Kopf-Konsum in Deutschland dominiert, neben dem Kauf von ganzen Bohnen, deutlich der Konsum des gemahlenen Filterkaffees. 

Auf der einen Seite scheint die Auswahl der Kaffeesorten für den Konsumenten heute unendlich groß, der Kauf im Supermarkt oder die Online Bestellung des Kaffees fällt leicht und gerade die Zubereitung und der Genuss der täglichen Tassen Kaffee ist in den letzten Jahren durch die Ausstattung mit kompakten Vollautomaten oder Kapsel- und Padmaschinen in Büros und Haushalten sehr bequem geworden.

Ist der Kaffeeanbau, die Produktion und die Vermarktung auch so bequem? Und was bedeutet "nachhaltig"? Ressourcen schonend und für die Arbeiter auf den Kaffeeplantagen erträglich? Zwischen dem Ort des Anbaus von Kaffee und des Konsums liegen für Europäer tausende Kilometer. Welches Bewusstsein für einen "nachhaltigen" Kaffee Konsum gibt es in Europa?    

Laut einer Studie des Umweltbundesamtes gaben über 90 Prozent der befragten Deutschen an, dass fairer Handel zwischen Entwicklungsländern und den reichen Industrieländern für sie "eher wichtig" und "sehr wichtig" sei. Kaffee ist Spitzenreiter beim Vergleich des Umsatzes bei "fair" gehandelten Produkten im Jahr 2016 mit einer Steigerung von 16 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015 (sieh Grafik). Wie auch bei anderen Lebensmitteln, so werden im Kaffeebereich Siegel als Hinweis auf bestimmte ökologische und soziale Richtlinien beim Anbau der Rohware verwendet. Der weltweit größte Anteil bei den Verkaufsvolumen in Millionen Tonnen von verifiziertem und zertifiziertem, nachhaltigem Kaffee fällt dabei im Jahr 2015 auf die Organisation 4C-Initiative (Common Code for the Coffee Community). Eine Organisation mit Mitgliedern aus dem Kaffeehandel, Kaffeeproduzenten und NGOs. Die Organisation verfügt nicht direkt über ein Siegel, eine Mitgliederliste ist auf der Website zu finden. Die Organisation versucht einen Basisstandard bei ökologischer Landwirtschaft und fairem Handel zu schaffen. Mehr als 850.000 Bauern und 420.000 Arbeiter profitieren, laut Angaben einer anderen Organisation, weltweit von ihrem Nachhaltigkeistprogramm Utz. Im Kaffeebereich liegen die weltweiten Verkaufsvolumen in Millionen Tonnen, die ein Utz Siegel tragen, auf Platz 2 hinter der 4C-Initiative, gefolgt von der Rainforest Alliance. Utz hat gerade einen zukünftigen Zusammenschluss mit der Rainforest Alliance bekannt gegeben. Über 13.000 Produkte in 130 Ländern tragen das Utz Siegel, das den nachhaltigen Anbau von Kaffee, Tee und Kakao markiert. Dabei stehen insbesondere die Bekämpfung von Kinderarbeit, die nachhaltige Steigerung der Ernte Erträge und eine Festlegung eines Lohns, der die Existenz der Arbeiter in den Anbauländern sichert, im Vordergrund. An vierter Stelle bei den weltweiten Verkaufsvolumen steht im Jahr 2015 Kaffee, der mit einem Transfer/FairTrade Siegel versehen wurde. Dabei ist die Bezeichnung "fair" im allgemeinen nicht gesetzlich geregelt. Im Zentrum der Überlegung geht es bei Kaffee mit Fairtrade Siegel um die Zahlung eines gewissen Mindestpreises, der die Produktionskosten und die Lebenshaltungskosten der Erzeuger decken soll. Außerdem wird bei Fairtrade eine zusätzliche Sozialprämie gezahlt, die soziale und ökonomische Projekte im Herkunftsland des Kaffees verwirklichen soll. Außer diesen Siegeln und weiteren "kleineren" Organisationen, die für Kaffee Produkte ein Siegel für nachhaltigen Anbau und Einhaltung von Sozialstandards vergeben, gibt es das staatliche Bio-Siegel, welches garantiert, dass 95 Prozent des Kaffees "Bio" ist und die Kaffee Farmen nach der EG-Öko-Verodnung bewirtschaftet werden.

Wie "fair" ist Kaffee?

Leider wird der Begriff "fair" auf Grund der mangelnden gesetzlichen Regelung, was genau denn "fair" ist, inflationär von vielen Herstellern und Organisationen benutzt und der Endverbraucher damit häufig verwirrt. 

Wenn alle ökologischen und sozialen Faktoren in Betracht gezogen werden, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des FairTrade Systems. Die Kritik reicht von dem zu komplizierten Prozess zur Zertifizierung für die Kleinbauern, über die Intransparenz des gesamten Systems, bis zum wirklichen Nutzen, ob die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bauern vor Ort wirklich verbessert werden können. Im bestehenden System beim Vertrieb des "fairen" Kaffees über den Margen orientierten Lebensmitteleinzelhandel stellt sich die Frage, welche Margen der Handel einnimmt und was wirklich bei den Kaffeebauern ankommt. Unterstützt das Fairtrade System durch seine Vorgehensweise das eigentliche Problem der Überproduktion und damit den weiteren Preisverfall und damit die Armut der Bauern? Ja, wenn die enormen Abnahmemengen im Massenmarkt für Kaffee mit dem Gedanken für den Wunsch der Verbraucher nach einem Siegel für "fairen" Kaffeekonsum zusammengebracht werden und so der weltweite Markt für Kaffee weiter in der jetzigen Form forciert wird. Ein weiterer, für den Konsumenten von Kaffee spürbarer Kritikpunkt, trifft die mangelnden Qualität des FairTrade Kaffees gegenüber des ohne Siegel verkauften Kaffees. Durch den mangelnden Anreiz einen bestimmte Qualitätsstandard abzuliefern, wird auch ein schlechterer Teil der Kaffee Ernten ins FairTrade System übernommen. Da FairTrade nicht die gesamte Ware der Bauern abnimmt, werden höheren Qualitäten von den Bauern zu hören Preisen auf dem Weltmarkt verkauft. Restliche Mengen, in minderer Qualität, werden zu einem Preis an FairTrade verkauft, der vorab durch FairTrade festgelegt wurde, aber immer noch über dem eigentlichen Marktpreis für mindere Qualitäten liegt. So wird die Ware mit niedrigerer Qualität für die FairTrade zertifizierten Produkte verwendet und es werden falsche bzw. gar keine Anreize für die Bauern für die Abgabe von hohen Qualitäten an FairTrade vermittelt. Werden alle diese Gesichtspunkte betrachtet, so muss es für Food Startups einen anderen Weg als FairTrade, zur Beschaffung von Kaffee und zur Deklarierung der Herkunft des Kaffees, bei der Einführung innovativer Kaffee Produkte geben.

Klimawandel und Kaffeekonsum

Laut Angaben von World Coffee Research wird sich die prognostizierte weltweite Nachfrage nach Kaffee bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Gleichzeitig wird es weltweit zu einer durch den Klima Wandel verursachten Abnahme der Kaffee Anbauflächen in den heute stark vom Kaffeeanbau abhängigen Ländern kommen. Eine Studie zur Entwicklung des Kaffeeanbaus in Äthiopien zeigt als Beispiel den enormen Verlust von bis zu 60% der Kaffeeanbauflächen auf Grund der Erderwärmung und des mangelnden Regens bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Niedrige Temperaturen ermöglichen ein langsames Wachstum der Kaffeepflanzen und eine höhere Qualität des Produktes als bei Kaffeepflanzen, die in hohen Temperaturen gedeihen müssen. Die Folge der Erderwärmung ist in Äthiopien daher eine Abnahme der Qualität der Kaffee Bohnen. Auf Grund des riesigen Weltmarktes für Kaffee, mit täglich schwankenden Preisen, wird es im ersten Moment keine höheren Preise auf Grund geringerer Ernten in einem Anbauland geben. Daher wird sich hier zeigen, welche Auswirkungen der Klima Wandel auf die sozio-ökologischen Gegebenheiten in der betreffenden Region haben wird. Kleinbauern, in familiären Strukturen lebend, werden mit einem solchen Wandel im Kaffee Anbau keine zukünftige Chance haben, von den niedrigen Erträgen zu leben. Auch im weltweit führenden Land für Kaffeeanbau, Brasilien, war die im Jahr 2014, durch außergewöhnlich hohe Temperaturen, ausgelöste Dürre, schädlich für den Kaffee Anbau des Landes. Die Regierung erwog Kaffee Bohnen zu importieren, konnte sich aber gegen den Widerstand der landeseigenen Kaffeebauern und Produzenten hierzu nicht durchsetzen. 

Nachhaltige Kaffee Produkte von Food Startups

Welche Möglichkeiten haben Food Startups, das Thema Nachhaltigkeit beim Kaffeeanbau für ihre neuen Produkte zu beachten? Indem Sie direkt vom Erzeuger kaufen und nicht ein bestimmtes Siegel als Gewissensberuhigung nutzen. Hinfahren, sich informieren und direkt mit den Kaffeebauern vor Ort die Kaffee Sorten und Mengen festlegen. Dies ist nicht utopisch, sondern wird von Kaffee Startups aktuell in einigen Fällen so praktiziert. Transparenz, vom Anbau der Rohware bis zum fertigen Produkt, ist ein Schlüsselelement für den Erfolg eines Food Startups. So können Kaffee Bauern vor Ort unterstützt werden und Kaffee Startups können sich so im Massenmarkt von den großen, etablierten Unternehmen unterscheiden und glaubhaft mit innovativen Produkten den entscheidenden Schritt in eine sozial verträgliche und ökologisch sinnvolle Richtung gehen. Dies gilt für alle Unternehmensprozesse und Bestandteile des Produktes. Hierbei spielt eine ökologisch sinnvolle Verpackung des neuen Kaffee Produktes genauso eine Rolle wie die Ausstattung und Nutzung von Büroräumen und allen anderen Aktivitäten des Food Startups. Nur ein ganzheitlicher, ökologischer Ansatz ist glaubhaft zu kommunizieren und trifft die Erwartungen der Käufer des neuen Produktes.

Autor: Jens Köster

 

Quellen:

Deutscher Kaffeeverband e.V.

BBC News

The Guardian

Transfair e.V.

Fairtrade International

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